eMail an dtv (Anmerkungen zu Abner Shimony, Der Kampf um den verlorenen Tag)


Sehr geehrte Damen und Herren im Verlag,

erst einmal herzlichen Glückwunsch zu Ihrer übersichtlichen und anwenderfreundlichen Website. Als Rezensionsexemplar erhielt ich von Ihnen: Abner Shimony, Der Kampf um den verlorenen Tag.

Das ansonsten ja recht lesbar geschriebene Buch zum Thema Kalenderreform enthält leider einige schwerwiegende inhaltliche Fehler, auf die ich Sie und auch den Autor gern aufmerksam machen möchte:

Ist es möglich, direkt mit dem Autor Kontakt aufzunehmen? Falls Sie mir seine eMail Adresse oder die seines Verlages mitteilen könnten, würde ich mich direkt dorthin wenden.

Zum Buch:

An mehreren Stellen wird der Begriff Eklipse falsch verwendet (z.B. S. 38, 39, 73). Aus dem Zusammenhang geht hervor, dass die Ekliptik gemeint ist, also die scheinbare Sonnenbahn. Als Eklipsen bezeichnet man Sonnen- und Mondfinsternisse.

Auf Seite 39 schreibt der Autor, dass die Sonne ein Zwölftel des Jahres für den Weg durch ein Sternbild benötigt. Da die zwölf ekliptikalen Sternbilder unterschiedlich groß sind, kann jeder Drittklässler einsehen, dass dies technisch nicht möglich ist.

Dem Autor ist der Unterschied zwischen Sternbildern und Tierkreiszeichen nicht bekannt. Wofür die Sonne ein Zwölftel des Jahres benötigt, ist der Durchgang durch ein Tierkreiszeichen (30-Grad-Abschnitt auf der Ekliptik).

Die Sternbilder hatten im 16. Jahrhundert auch noch keine festgelegten Grenzen. Der Autor behauptet dies zwar nicht ausdrücklich, aber aus seinen Ausführungen muss der Leser diesen Schluss zwangsläufig ziehen.

S. 40: es wird wohl ein Übersetzungsfehler sein: Nach Schütze kommt nicht Widder, sondern Steinbock (Capricornus).

S. 41: auch und gerade im 16. Jahrhundert wurde der ‚Einfluss‘ der Astrologie den Tierkreiszeichen zugesprochen, nicht den Sternbildern. Tierkreiszeichen sind 30-Grad-Abschnitte auf der Ekliptik, die die gleichen Namen tragen wie die zwölf Sternbilder, die auf der Ekliptik liegen – ein Umstand der schon so manchen uninformierten Autoren in die Irre führte.

Auf S.32 schreibt der Autor: „Letztendlich erkannten die meisten intelligenten Menschen, dass Astrologie Unsinn war.“

Wer zu den Intelligenten gehört und wer nicht, darüber lässt sich sicher streiten. Der Autor zeichnet jedoch ein Bild von der Entwicklung des astronomischen Weltbildes, das so nicht stimmt. Eine Reihe von Wissenschaftlern, die er aufführt, scheint nach und nach das alte Weltbild zu widerlegen und die Grundlagen für ein neues zu schaffen. An mehreren Stellen kommt der Autor zu dem Schluss, dass mit dem alten Weltbild zwangsläufig auch die Astrologie widerlegt worden wäre. Die Vorstellungen des Autors bezüglich des Umgangs der großen Astronomen mit der Astrologie stehen in keinem Bezug zur Realität.

‚Der große Nikolaus Kopernikus‘ und sein Schüler, der ‚berühmte Astronom G.J. Rhaeticus‘ werden als erste in der Reihe der hervorragenden Geister aufgeführt. Beide waren von der Astrologie überzeugt. Als Kopernikus 1543 sein Werk veröffentlichte, in dem er die Gründe dafür aufführte, warum die Erde um die Sonne kreist, enthielt es einen langen astrologischen Exkurs seines Schülers Rhaeticus‘

Tycho Brahe, ‚der gründlichste Sammler astronomischer Daten, den es je gegeben hatte‘ war der Hofastrologe Kaiser Rudolfs II.

Lediglich im Falle Kepler erwähnt der Autor, dass dieser ‚ … der Astrologie sehr skeptisch gegenüberstand, aber trotzdem … gelegentlich Horoskope anfertigte.‘

Kepler fertige eine Unzahl von Horoskopen an. Er stand auch nicht der Astrologie skeptisch gegenüber, sondern der Astrologiehörigkeit derer, für die er Horoskope erstellte. Er hat sich ausdrücklich für die Astrologie ausgesprochen und eigene Berechnungstechniken für spezielle astrologische Prognosemethoden (sogenannte Primär- und Sekundärdirektionen) entwickelt, die er Zeit seines Lebens verfeinerte.

Auch Newton praktizierte intensiv Astrologie und Alchemie und hat sich niemals von diesen Künsten distanziert.

Gerade die Wissenschaftler, die der Autor aufführt, gehören also nach seinem Maßstab entweder nicht zu den Intelligenten oder zu den wenigen Intelligenten, die eben noch nicht vom ‚Unsinn der Astrologie‘ überzeugt waren. Man mag zur Astrologie stehen wie man will – ein großer Teil derer, die wir allgemein als Intelligente bezeichnen (Pythagoras, Regiomontanus, Kopernikus, Galilei, Kepler, Newton, Einstein), war im Gegensatz zur Meinung des Autors von der Astrologie überzeugt.

Mit feundlichen Grüßen

Martin A. Banger

Antwort dtv:


Sehr geehrter Herr Banger,

vielen Dank für Ihre außerordentlich hilfreichen und kompetenten Hinweise auf die Fehler. Wir haben den Band von Birkhäuser in Lizenz übernommen und nicht noch einmal redigiert, was offensichtlich nützlich gewesen wäre. Korrekturen können also erst in einer zweiten Auflage vorgenommen werden.

Mit Abner Shimony hatten wir in diesem Fall, da es sich um eine rein
Lizenzausgabe handelt, keinen direkten Kontakt. Er ist aber ein bekannter Philosoph in den USA und auch bei den Kennern in Deutschland. Bei Google habe ich zu seinem Namen immerhin 15 Einträge gefunden, bin allerdings noch nicht auf seine Website gelangt, die er sehr wahrscheinlich hat.

Ich darf Ihnen auf jeden Fall versichern, daß wir uns sehr gründlich mit Ihren Anmerkungen befassen werden.

Nochmals sehr herzlichen Dank und die besten Grüße

Dr. Andrea Wörle
Cheflektorat Nonfiction
Deutscher Taschenbuch Verlag