Wir erleben jetzt – von Frühjahr ´23 bis Herbst ´24 – einen der seltenen Übergänge Plutos in ein neues Tierkreiszeichen. Der letzte Zeichenwechsel hat 2008 / ´09 stattgefunden, als Pluto vom Schützen in den Steinbock wechselte; der nächste Übergang wird sich erst 2044 ereignen. Für eine Weile wird der Kleinplanet noch zwischen Steinbock und Wassermann hin- und herpendeln, um im November ´24 endgültig in das neue Zeichen zu wechseln. Erst in 20 Jahren wird Pluto den Wassermann wieder verlassen.

2008 schrieb ich über Plutos anstehenden Steinbockdurchgang: “Was wird zerstört und neugeboren, wenn Pluto den Steinbock durchquert? Die Wirtschaftsordnung, wie wir sie kennen.“ Die schwere Wirtschaftskrise von 2007/08 zu Beginn dieser Phase bezeichnete ich als “ein Vorspiel für das, was uns unter Pluto im Steinbock erwarten dürfte.” (1) Derzeit erleben wir den Niedergang einer Wirtschaftsideologie, die in den vergangenen 250 Jahren, also einen Plutozyklus lang, mal mehr, mal weniger nützlich gewesen ist. Das Prinzip der freien Marktwirtschaft, das ursprünglich auf den drei Pfeilern Arbeit, Kapital und Boden beruhte, existiert in seiner idealisierten Form nicht mehr.
Steinbock steht nicht nur für materielle Sicherheit, sondern auch für autoritäre Strukturen. Unter dem Zusammenspiel mit Pluto hat die Macht einzelner Konzerne, insbesondere der großen Finanzverwaltungsgruppen, der Internetgiganten, aber auch einiger politischer Gruppen, die im Hintergrund wirken, in den vergangenen Jahren unvorstellbare Dimensionen angenommen.

Die autoritäre Reglementierung unseres Alltags wird kaum noch von den gewählten Volksvertretern entschieden. Doch genau dieser mächtige Trend dürfte jetzt an einen Höhe- und Wendepunkt gelangen. Manch ein großer Konzern, manch eine einflussreiche politische Gruppe wird unter Plutos Aufenthalt im Wassermann zerbrechen oder transformiert werden.

Dies liegt nahe, da Wassermann zum einem mit Gruppen und der Gesellschaft als solcher zu tun hat, und zum anderen mit den Themen Revolution und Aufklärung. Das letzte Mal als Pluto den Wassermann durchquerte – 1778 bis 1799 – war die Zeit der amerikanischen Revolution, der französischen Revolution, die Zeit der Aufklärung, als deren wichtigste Phase die Jahrzehnte von 1750 bis 1780 gelten.

Wo Pluto und Steinbockherrscher Saturn an einem Strang gezogen haben, treffen jetzt Gegenpole aufeinander. Pluto und Wassermann sind verfeindete Prinzipien: Der Himmel und die Unterwelt. Nach einer Zeit der ausufernden Kontrolle über alle Aspekte
des menschlichen Lebens verspricht Plutos Wassermanndurchgang eine Zeit des Umbruchs, der Befreiung und der Besinnung auf das Menschsein.

Ein goldenes Zeitalter soll damit jedoch nicht angekündigt werden.
Während Wassermann das soziale Miteinander aus geistig abstrakter Perspektive betrachtet und sich für unsere höchsten Ideale einsetzt, reagiert Pluto leidenschaftlich und tief emotional. Der Zusammenprall zweier fixer Prinzipien kündigt bewegte Zeiten an.

Die Französische Revolution ist dafür ein passendes Beispiel.
Wer deren Ablauf studiert, kommt kaum mit all den Wirren und Wendungen hinterher, kann schwer nachvollziehen, wer wann warum die Seiten wechselte, weshalb eingeschworene politische Weggefährten plötzlich zu Erzfeinden wurden, bis es am Ende hieß: Die Revolution (Uranus) frisst (Pluto) ihre Kinder.

Plutodurchgänge durch die fixen Zeichen bringen immer deutlich stärkere Spannungen mit sich als dies bei den kardinalen oder labilen Zeichen der Fall ist. Und genau diese Spannungen werden benötigt, um alte Strukturen und Machtverhältnisse zu zerbrechen, damit Platz für
etwas Neues geschaffen wird.

Unter Pluto im Skorpion (1983/84 – 1995) zerbrach die Sowjetunion, was vielen Ländern Chaos brachte, aber auch eine neue Freiheit. Mit Pluto im Löwen (1937/38 – 1957/58) fand der zweite Weltkrieg statt. Auch wenn die Feuerprinzipien durchaus mit Kriegen in Verbindung gebracht werden, ging es damals in erster Linie um einen heute unvorstellbaren Führerkult einiger der kriegführenden Nationen und natürlich um dessem jähen, plutonischen Ende.

Während Pluto das Erdzeichen Stier durchlief (1852/53 – 1884/85), entwickelte sich die erste und sehr schwere Weltwirtschaftskrise, wurde das Dynamit erfunden und – von vergleichbarer gesellschaftlicher Sprengkraft – „Das Kapital“ von Marx herausgeben und „Die Entstehung der Arten“ von Darwin (Geld und Fortpflanzung unterstehen Stier).

Wir werden selbstverständlich nicht nur mit dramatischen Umbrüchen konfrontiert werden. Pluto im Wassermann mag für die französische Revolution stehen, Wassermann selbst vertritt in erster Linie deren Ideale Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, außerdem tritt er ein für Vernunft und Logik.

Mit Plutos letztem Aufenthalt im Wassermann wurden in der französischen Nationalversammlung die Menschen- und Bürgerrechte erklärt (1789); die amerikanische Version nannte sich Bill of Rights, in den französischen Kolonien wurde der Sklavenhandel abgeschafft (1784), in Europa fand die letzte Hexenverbrennung statt (1793), in Frankreich bildete sich ein Kult der reinen Vernunft, für den auch Robespierre 1793 plädierte, kurz nachdem Kant seine Kritik der reinen Vernunft formulierte (1781), in der es in erster Linie um die Frage geht: Was können wir wirklich wissen?

Einen Plutoaufenthalt im Wassermann zuvor (1533 – 1552) verkündete Papst Julius III den Eintritt der Menschheit in eine dynamisch-intellektuelle Phase, während Luthers Reformationsbewegung für großen Aufruhr innerhalb der katholischen Kirche und im Christentum sorgte. In dieser Zeit erschien die erste vollständige Übersetzung der Bibel (1534), die nun das ganze Volk (Wassermann) lesen oder sich vorlesen lassen konnte. Noch einen Durchgang davor (1287 – 1308) endete der Sklavenhandel in Europa (außer in Spanien).

Wassermann und Pluto sind nicht auf allen Ebenen verfeindete Prinzipien, es gibt auch Bereiche, in denen sie zusammenarbeiten.
immerhin geht es beiden darum, eingefahrene Strukturen zu transformieren. Dies werden wir vor allem in den Naturwissenschaften erfahren. Wassermann steht für Wissenschaft, Forschung und technischen Fortschritt, Pluto schaut in die Tiefe und hinter die Kulissen.
Arbeiten beide zusammen, sollten wir nicht mit einer einfachen Erweiterung unseres Wissens rechnen, sondern mit dem ein oder anderen Quantensprung, der unser Weltbild verändert.

Die Entdeckung des Wassermannherrschers selbst fällt zum Beispiel in eine solche Zeit. Als 1781 bekannt wurde, dass man einen weiteren Planeten im Sonnensystem gefunden habe, sprengte dies das Weltbild der Astronomen als auch das der Astrologen. Auch die Beschreibung des heliozentrischen Weltbildes gilt als wissenschaftliche Revolution. Pluto stand im Wassermann als Kopernikus 1534 sein Hauptwerk herausgab und den Beginn der Auflösung des geozentrischen Weltbildes einläutete.

Während der französischen Revolution ereignete sich auch das, was als erste chemische Revolution bezeichnet wird. Lavoisier, Naturwissenschaftler, Chemiker und Leiter der französischen Pulververwaltung, lieferte den Beweis dafür, dass die etwa 75 Jahre lang vorherrschende Phlogistontheorie ein wissenschaftlicher Irrtum war. Obwohl Lavoisier sich für die gesellschaftliche Revolution einsetzte, ein bekannter Mitstreiter der ersten Stunde war, endete auch er unter der Guillotine. Der Wassermann-Pluto stand zu der Zeit im Quadrat zu seinem Skorpionmond. Die Revolution frisst (Pluto) mitunter auch ihre Wissenschaftler (Wassermann). Wissenschaftler und wissenschaftliche Vereinigungen in ganz Europa hatten sich dafür eingesetzt, die Hinrichtung zu verhindern. „Sie brauchten nur einen Moment, um diesen Kopf abzuschlagen, aber hundert Jahre genügen vielleicht nicht, einen ähnlichen hervorzubringen.“ So sein Freund, der italienische Mathematiker und Astronom Lagrange.

Die Phlogistontheorie besagte, dass es einen unentdeckten Stoff geben müsse, eben Phlogiston, der dafür sorge, dass Verbrennungsprozesse stattfinden können. Da der Vorgang der Verbrennung nicht geklärt werden konnte, wusste man sich nicht anders zu helfen. Diese Theorie war wissenschaftlicher Konsens, bis Lavoisier nachweisen konnte, dass es der Sauerstoff ist, der bei Verbrennungen die entscheidende Rolle spielt. Unsere moderne Wissenschaft hat ihre eigene Phlogistontheorie, das Postulat der dunklen Materie und der dunklen Energie. Trotz intensiver Forschung und immer neuer Theorien, ließen sich beide bisher nicht in der postulierten Quantität nachweisen. Doch ohne diese ist es bislang nicht möglich, die Bewegungen der Sterne und Galaxien zu erklären. Es ist zu erwarten, dass mit Pluto im Wassermann entweder die Existenz der dunklen Materie nachgewiesen oder – was ich für wahrscheinlicher halte – widerlegt wird.

Eine merkwürdige Synchronizität das Gleichheitsprinzip betreffend liefert uns das Jahr 1796. Pluto wollte Wassermann langsam verlassen, als im selben Jahr Edward Jenner mit der Pockenschutzimpfung begann und Samuel Hahnemann seinen ersten Aufsatz zur Homöopathie veröffentlichte. Für letztere gilt das Prinzip „Gleiches heilt Gleiches“; für erstere müsste formuliert werden: „Gleiches bewahrt vor Gleichem“, eine Gemeinsamkeit, die viele Kritiker der Homöopathie gern übersehen. Auch wenn die Praxis des Impfens schon lange zuvor in einigen Gegenden Indiens und der Türkei praktiziert wurde, fand sie durch Jenner Einzug in die westliche Medizin. Beide Verfahren riefen von Anfang an heftige Gegnerschaft auf den Plan (Pluto), beide arbeiten mit kleinsten Mengen und beide wollen große Wirkung erzielen – so wie in der Astrologie dem kleinsten Planeten die größte Wirkung zugeschrieben wird. Noch dauert es etwas, bis Pluto den Punkt erreicht, den er 1796 eingenommen hat (2042). Die Spannungen zwischen Befürwortern und Gegnern beider Verfahren scheinen schon jetzt zuzunehmen.

Egal, mit welchen Erscheinungsformen wir unter Pluto im Wassermann konfrontiert werden sollten – in Hinsicht auf unsere gesellschaftliche Entwicklung stehen wir in dieser Zeit in einem Spannungsfeld zwischen den Gegenpolen Angst und Freiheit. Kant, der übrigens die damals spektakuläre These vertrat, die Milchstraße könne ein rotierender Körper mit einer unvorstellbaren Anzahl an Sternen sein, verfasste 1784 seinen Aufsatz: “Was ist Aufklärung?“ Faulheit und Feigheit bezeichnet der Philosoph hier als die größten Feinde der Freiheit. Aufklärung ist für ihn die selbst vorgenommene Befreiung aus selbst verschuldeter Unmündigkeit. Und hierfür gibt es für ihn nur einen Weg: „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“

(1) Meridian 5 / 6 2008 – Die politischen und wirtschaftlichen Aspekte von Pluto in Steinbock