Wie wir denken – Merkur im Horoskop

 

Da Merkur der Sonne am nächsten steht, hat er die kürzeste Umlaufbahn aller Planeten: 88 Tage dauert ein Merkurjahr. Aufgrund seiner Sonnennähe ist er für uns nur selten zu sehen, am ehesten morgens im Frühling und abends im Herbst. Normalerweise spielt Venus die Rolle des Morgen- und Abendsterns, manchmal wird sie dabei von Merkur abgelöst oder sogar unterstützt, wenn selten einmal beide Planeten gleichzeitig zu sehen sind.

In der Astrologie steht die Sonne für unser Bewusstsein, Merkur für den Geist (im Sinne von Verstand). So, wie es schwerfällt, Merkur in der Nähe der Sonne auszumachen, weil letztere ersteren überscheint, fällt es vielen Menschen schwer, Bewusstein von Verstand zu unterscheiden. Doch so, wie die Sonne das Zentrum darstellt, um das sich alles dreht und das alles um sich herum erhellt, ist es unser Bewusstsein, das alle anderen Kräfte in uns erhellt, und es ist nicht etwa der Verstand, der das Bewusstsein erkennt.

Diese Identifizierung mit dem Geist fällt übrigens stärker aus, wenn Sonne und Merkur im gleichen Zeichen stehen, also bei etwa einem Drittel aller Menschen. Da Merkur auch im Horoskop nie weit von der Sonne entfernt sein kann (maximal 28 Grad), befindet er sich entweder im gleichen Zeichen wie die Sonne, im vorhergehenden oder im nachfolgenden. Wenn Descartes schlussfolgert: „Ich denke, also bin ich!“, weist dies darauf, dass Sonne und Merkur bei ihm im gleichen Zeichen stehen müssen, wahrscheinlich in einem Feuerzeichen, da er sich hier mit dem Sein beschäftigt (Feuer) und sein Postulat selbstbewusst und provokativ ist. Ein Blick in die Ephemeriden zeigt, dass dies der Fall ist. Hätte der Denker (31.3.1596, 2:00 Uhr, Le Havre) mit Sonne und Merkur im Widder, etwas anderes denken können?

Der die Sonne am schnellsten umrundende Planet wird astrologisch seit jeher mit dem Verstand und seiner Schnelligkeit assoziiert. Schnell, im Altdeutschen und Englischen quick, steckt z.B. in den Worten quicklebendig und Quecksilber. Das flüssige Metall, das „schnelle Silber“ (englisch: Mercury) – ist das Element, das Merkur in der Astrologie zugeordnet wird.

Der römische Gott Merkur geht auf Hermes zurück, den griechischen Gott der Redekunst, der Kaufleute, der Reisenden und der Diebe. Als Hermes Trismegistos (einer Verschmelzung mit dem ägyptischen Gott Thot) gilt er als Verfasser zahlreicher philosophischer, alchemistischer und astrologischer Schriften. Sogar einige Werke Platons und Phythagoras´ wurden ihm lange Zeit zugeschrieben. In der Mythologie ist Merkur ein schlauer bis listiger Gott, erfindungsreich, redegewandt – der Götterbote, der die Entscheidungen des Zeus den anderen Göttern übermittelt.

Astrologisch unterstehen ihm die beiden beweglichen Zeichen Zwilinge und Jungfrau, wobei Zwilinge mehr den erfinderischen Aspekt des Verstandes repräsentiert, Jungfrau mehr den analytischen und ordnenden. Die beiden anderen beweglichen Zeichen, Schütze und Fische, werden von Jupiter, dem zweiten geistigen Prinzip regiert. Auch in der Mythologie arbeiten Merkur und Jupiter eng zusammen. Merkur ist der emsige und rastlose Diener Jupiters, der die Botschaften des obersten Gottes in die Welt trägt.

Im persönlichen Horoskop beschreibt Merkur unter anderem unsere Art, Informationen zu verarbeiten, also unser Denken, und unsere Art zu kommunizieren. Je nachdem, wie Merkur im Horoskop gestellt ist, lässt sich etwas darüber aussagen, wie wir lernen, denken und uns mitteilen. Die Hausposition Merkurs zeigt, wofür wir unseren Verstand besonders gut einzusetzen vermögen. Auf das Hausthema haben wir vielleicht einen gewissen Einfluss, zumindest ändern sich unsere Interessen immer wieder, was durch Transite und Progressionen gut beschrieben werden kann. Blockierungen Merkurs durch andere Planeten weisen auf Lern- und Kommunikationsschwierigkeiten, die es zu überwinden gilt. Schwierige Aspekte zwingen uns regelrecht, uns mit den betreffenden Themen auseinanderzusetzen, um über unsere Anlagen hinauszuwachsen. Worauf wir keinen Einfluss haben, sind die Zeichenstellungen der Planeten. Im Falle Merkurs beschreibt das Zeichen sozusagen das Temperament unseres Verstandes. An dieser Stelle die zwölf Zeichenstellungen durchzugehen, würde den Rahmen sprengen und ist auch gar nicht nötig, um zu verstehen, wie jemand denkt und kommuniziert. Es reicht zu wissen, wie Merkur sich in den vier Elementen verhält.

Das Element, in dem Merkur steht, kann auf einfache Weise selbst ermittelt werden. Es ist recht leicht, Ephemeriden (Gestirnstandstabellen) zu lesen. Einfach den Begriff in die Suchmaschine eingeben, als erster Eintrag kommt derzeit die Ephemeride von Astro.com, die für jeden Tag die Position aller Planeten angibt. Da Merkur nur an wenigen Tagen im Jahr das Zeichen wechselt, reicht die Kenntnis des betreffenden Geburtstages meistens völlig aus, um herauszufinden, auf welche der vier grundverschiedenen Arten jemand denkt und kommuniziert.

 

Wofür ist das nützlich?

Die Art, wie ich Informationen verarbeite und kommuniziere, kann mit der meines Gegenübers harmonieren oder kollidieren. Wir können uns im Gespräch anregen, überanregen, irritieren oder blockieren. Wenn mein Gegenüber und ich uns ständig ins Wort fallen, liegen unsere Merkure aller Wahrscheinlichkeit nach in unverträglichen Elementen.

In allen Arten von Beziehungen spielt die Dynamik der Kommunikation eine bedeutende Rolle, zwischen Partnern, Geschäftspartnern, Eltern und Kindern, Lehrern und Schülern. In geschäftlichen Verhandlungen ist es hilfreich, über die vier Kommunikationstypen Bescheid zu wissen, um sich auf den Stil des Gegenübers einzustellen. Noch wichtiger sind diese Kenntnisse für Eltern, Lehrer, Berater und Therapeuten. Eltern, deren Kind auf andere Weise lernt und kommuniziert als sie selbst, neigen manchmal dazu, sich übertriebene Sorgen bezüglich der Begabungen ihres Nachwuchses zu machen. Das Wissen um die unterschiedlichen Merkur-Temperamente kann helfen, gelassener mit diesem Thema umzugehen und sich auf den entsprechenden Stil einzustellen.

Wie alle Menschen, die mit Gruppen zu tun haben, müssen Lehrer mit jedem der vier Lerntypen zurecht kommen. Das gelingt manchem Pädagogen mehr, manchem weniger gut. Da wir uns so sehr mit dem Temperament unseres Geistes identifizieren, fällt es oft schwer, einen völlig fremden Lern- und Kommunikationsstil zu erkennen und nicht als Problemfall einzuordnen. Schulisches Lernen, wie wir es gewohnt sind, untersteht in erster Linie dem Luftprinzip (abstrakt, Wissen sammelnd, reine Informationsaufnahme), in zweiter Linie dem Erdprinzip (Lernen durch ausprobieren). Kinder mit einem Wasserzeichenmerkur haben es in der Schule oft ein bisschen schwerer, weil deren tiefgründig-intuitive Denkweise mit dem rein ratiionalen Lernen schwer vereinbar ist. Allein aufgrund dieser unterschiedlichen Herangehensweise an Lerninhalte, können sich Lieblingsschüler und Prolemschüler herausbilden (natürlich gibt es viele weitere astrologische Faktoren, die hier mitspielen können).

Menschen, bei denen Merkur im gleichen Element steht, können meist gut miteinander kommunizieren – sie verstehen zumindest „die Sprache“ des anderen. Generell harmonieren auch Feuerzeichen- mit Luftzeichen-Merkuren und Erdzeichen- mit Wasserzeichenmerkuren.

 

 

Merkur in den Elementen

Merkur in den Feuerzeichen (Widder, Löwe, Schütze)

steht für eine schnelle Auffassungsgabe, lernt mit Begeisterung, muss sich aber auch für etwas begeistern können, um sich dafür überhaupt zu interessieren. Dies sind in der Schule diejenigen Kinder, die bei allen neuen Themen aufmerksam mitmachen, sich aber schnell langweilen, wenn ein einmal verstandener Stoff wiederholt wird. Und das kann sehr schnell passieren, nicht selten in der ersten Unterrichtseinheit. Merkur im Feuer denkt und kommuniziert sprunghaft und reagiert kämpferisch, wenn die eigene Meinung infrage gestellt wird, kann andere für neue Themen inspirieren bis begeistern, kommt nicht gut klar mit denen, die Zeit benötigen, um sich einen neuen Stoff gründlich zu erarbeiten oder langsam und bedächtig reden. Wer einen Feuermerkur von etwas überzeugen will, muss mindestens ein wenig eigene Begeisterung für die betreffende Sache aufbringen. Ihm einen Sparvertrag mit ausgeklügeltem Renditeplan genau darzulegen, wird niemals den gleichen Effekt haben, wie die künftigen Möglichkeiten durch diesen Sparvertrag lebendig auszumalen.

 

Merkur in den Erdzeichen (Stier, Jungfrau, Steinbock)

lernt mehr als die anderen Merkure stark über den Körper, das heißt, Menschen mit dieser Stellung müssen Dinge selbst ausprobieren, am besten durch Anfassen, um sie zu verstehen. Die Erdzeichen sind sicherheitsorientiert, sie bewahren das Bewährte. Daher nähern sie sich Neuem zunächst prüfend und von der Tendenz her skeptisch. Passt eine neue Information in das, was ich bisher als richtig und sinnvoll verstanden habe? Erdzeichen-Merkure lernen langsamer als Feuer- oder Luftzeichen-Merkure, dafür speichern sie ihr Wissen dauerhaft ab – etwas, das man von den beiden leichteren Typen nicht immer erwarten sollte. Ein Erdzeichen-Merkur steht für einen praktischen, lösungsorientierten Verstand, der allerdings mehr als andere dazu neigt, in allem ein Problem zu sehen, das es zu analysieren gilt. Wer einem Erdmerkur etwas beibringen will, lasse es ihn selbst ausprobieren und ihm genügend Zeit, die Dauer seiner Versuch-und-Irrtum-Phase selbst zu bestimmen. Wer einem Erdmerkur etwas verkaufen möchte, appeliere an sein Verständnis von Sicherheit und Ordnung. Glanz und Glamour einer Sache sollten besser nicht zu sehr herausgestellt werden.

 

Merkur in den Luftzeichen (Zwillinge, Waage, Wassermann)

steht für den abstrahierenden, rationalen Verstand. Menschen mit dieser Merkur-Stellung interessieren sich im Grunde für alles, für Klatsch und Tratsch, für die Weltpolitik und die neueste Mode. „Informationen sind einfach interessant“, scheint ihr Motto zu lauten. Sie haben in der Regel eine schnelle Auffassungsgabe, gehören in der Schule oft zu den Überfliegern, sie neigen allerdings dazu, sich schnell ablenken zu lassen und haben manchmal Schwierigkeiten, herauszufinden, wofür sie sich wirklich interessieren. Dies ist ein sozialer Merkur, also plauderfreudig und den Problemen und Gedanken anderer gegenüber aufgeschlossen. Es ist relativ leicht, Luftzeichen-Merkure für etwas zu interessieren. Man sollte aber nicht erwarten, dass sie die Dinge morgen noch so beurteilen wie heute. Man hat einem Luftzeichen-Merkur also erst etwas verkauft, wenn man den Vertrag in der Tasche hat, nicht, wenn man ihn von etwas überzeugt hat. Überzeugungen können sich schließlich von einem auf dem nächsten Tag ändern und bei Luftzeichen-Merkuren geschieht dies oft noch schneller. Luftmerkure suchen den Dialog. Damit dieser stattfinden kann, nehmen sie gern den gegenteiligen Standpunkt ihres Gesprächspartners ein. Das mag manchmal nach Widerspruchsgeist aussehen, hat aber nur den Zweck, durch gemeinsames Abwägen zu einem brauchbaren Ergebnis zu gelangen.

 

Merkur in den Wasserzeichen (Krebs, Skorpion, Fische)

denkt intuitiv und nicht immer gradlinig, kann also oft nicht genau sagen, wie eine Schlussfolgerung zustande kommt.

Im alten China betrachtete man den Bauch als eigentliches Denkorgan und auch die moderne Foschung kommt zu dem Ergebnis, dass es so etwas wie ein Bauchgehirn gibt, das Erinnerungen speichert. Merkur in den Wasserzeichen jedenfalls denkt mit dem Bauch, und das bedeutet, dass Gefühle bei der Verarbeitung von Informationen eine große Rolle spielen. Das bedeutet auch, dass ein Wasserzeichen-Merkur kaum in der Lage ist, etwas von jemandem zu lernen, der ihm unsympathisch ist. Während Lerninhalte für Luftmerkure eine völlig neutrale Sache sind, nimmt der Wassermerkur die Dinge sehr persönlich. Lehrer, die Schwierigkeiten mit einem Wasserzeichen-Merkur haben, sollten immer zunächst für Sympathie sorgen, bevor sie es weiter mit der ach-so-gesunden Logik versuchen. Für Geschäfte gilt das Gleiche: Während sich ein Luft- oder Erdzeichen-Merkur für die Details eines Vertrages interessiert, achtet ein Wasserzeichen-Merkur erst einmal auf die Ausstrahlung seines Gegenübers. Und die besiegelt oft schon das ganze Geschäft.

 

Lerntypen im NLP

Mit Lern- und Kommunikationstypen haben sich die Psychologen Richard Bandler und John Grinder in den 1970er Jahren intensiv befasst und aufbauend auf ihren Erkenntnissen die Techniken des NLP entwickelt. Im NLP kennt man allerdings nur drei Lern- und Kommunikationstypen: denjenigen, der eher in Bildern erinnert (visueller Typ: Feuer), denjenigen, der eher in Worten erinnert (auditiver Typ: Luft) und denjenigen, der eher in Gefühlen erinnert (kinästhetischer Typ). In der Beschreibung des dritten Types werden Körpergefühl (Erde) und Bauchgefühl, also Intuition (Wasser) als eine Wahrnehmungsebene aufgefasst, und nicht, wie in der Astrologie, als zwei verschiedene.

Dies lässt vermuten, dass die Merkure in den Horoskopen der Entwickler des hyperrationalen NLP in Luft- oder Feuerzeichen stehen sollten, was es den Betreffenden schwer machen würde, die beiden anderen Ebenen zu differenzieren. Tatsächlich stand Merkur zur Geburt Richard Bandlers im Wassermann, bei John Grinder im Schützen. Bandler und Grinder untersuchten die Methoden von Fritz Perls (Merkur im Löwen), Virginia Satir (Merkur in der Waage) und Milton Erickson (Merkur im Skorpion), um ihr übergeordnetes Konzept des NLP zu entwickeln. Nur der Skorpionmerkur Ericksons fällt hier aus der Reihe der extrovertierten Merkure. Ericksons Stärke war auch nicht die Analyse, sein Spezialgebiet waren die Hypnose und die Hypnotherapie – die Dömäne eines Wasserzeichenmerkurs. Bandler und Grinder jedenfalls waren nicht in der Lage zwischen körperlicher Wahrnehmung und seelischer Wahrnehmung in Bezug auf das Denken zu unterscheiden. Merkur zeigt also nicht nur, wie wir denken, sondern auch, wie wir über das Denken denken.

Bemerkenswert ist, dass die Sonnen von Bandler, Grinder, Perls und Satir in Erd- und Wasserzeichen stehen und deren Horoskope alle insgesamt stark erd- oder wasserbetont sind. Die abstrakt arbeitenden Feuer- und Luftmerkure fallen bei ihnen also jeweils aus dem Rahmen. An diesem Beispiel wird sichtbar, wie außerordentlich bedeutsam die Position Merkurs sein kann. Bei der Horoskopbetrachtung wird meist großer Wert auf die Deutung von Sonne, Mond, Aszendent gelegt, auf schwierige Verbindungen und alles mögliche andere. Das astrologische Gewicht des unruhigen kleinen Wandlers für unser Leben und unsere Begegnung mit anderen wird oft etwas unterschätzt.