Leserbrief „Uranus im Widder“
Auf meinen Artikel „Aufbruchstimmung – Uranus im Widder“ in der Meridian 6/2010 ging ein Leserbrief ein, auf den ich eine ausführliche Antwort verfasst habe:
Guten Morgen Herr Jehle,
heute las ich den Artikel Aufbruchstimmung von Herrn Banger und bin sehr erschrocken.
Seit etwa 20 Jahren lese ich den Meridian und dann so ein altkonservativer Artikel zu Uranus im Widder
Als gäbe es keinen Entwicklungsprozeß……..
Herr Banger schildert ausführlich die Hemmung und Kompensation dieser beiden Planetenprinzipien.
Doch was hat das mit Entwicklung und Reifung zu tun?
Außerdem mag ich es gar nicht, wenn selbst Astrologen darein verfallen, Angst zu schüren.
Traurig bin ich, daß sie als Redakteur das so stehen lassen und herausgeben…..
Ich lese gerne und mit großem Interesse Ihre Beiträge und entnehme denen immer wieder Wahl- und entwicklungschancen.
Gerade das begrüße ich am Meridian und an der Astrologie, daß sie mir neue Wege eröffnet.
Und dann trifft es Uranus, den Wegbereiter
er wird für Dinge verantwortlich gemacht, die aus dem verkrusteten alten kriegerischen Weltbild entstanden sind.
Es erschüttert mich.
Sasportas beschreibt in „Uranus, Neptun, Pluto im Transit“ auf Seite 66ff wie die Venuskraft genutzt werden kann für Veränderungen und Seite 77 den Geist in allem, der gerade in Veränderungen sichtbar werden kann.
Und bei Hermann Meyer „Astrologie und Psychologie“ S. 142 ff erfahre ich, daß ich mit Uranus lernen kann, mich nicht mehr permanent befreien zu müssen von etwas, sondern wirklich frei zu sein.
Hermann Meyer legt großen Wert darauf, aus der Hemmung oder Kompensation heraus in einen Entwicklungsprozeß einzutreten.
Und das wünsche ich uns allen, und besonders den Astrologen, denn das ist doch eine der wichtigen Aufgaben als uranischer Mensch………….
vorangehen in eine neue Zeit
Aufbrechen in das unbekannte NEUE
Utopien entwickeln für eine Welt im Gleichgewicht
sich für die Gemeinsachaft vorausschauend in die Zukunft bewegen
Otto Scharmer lesen
in die Zukunft hinein denken, indem ich mich dem leeren Raum anvertraue
für das Neue braucht es Wagnis und keine lähmende Angst
Herzliche Allerheiligengrüße
von einer treuen Leserin
XXX
Sehr geehrte Frau XXX,
vielen Dank für Ihre Rückmeldung zu meinem Artikel „Aufbruchstimmung“. Wer schreibt, weiß oft nicht, wie das Geschriebene bei Lesern ankommt. Zwei, drei erfreuliche Rückmeldungen gibt es meistens, Kritik selten. Das liegt nicht daran, dass es nichts zu kritisieren gäbe, sondern daran, dass man als Leser Kritik eher für sich behält, weil eine höhere innere Hürde überwunden werden muss, diese zu äußern. Als Autor weiß ich, dass Kritik mich manchmal weiterbringt als jedes Lob es je könnte. Kurz: Mein Dank ist ernstgemeint.
Einen Teil Ihrer Kritik allerdings möchte ich gleich entkräften. Hemmung oder Entwicklung im Sinne Meyers – die Frage nach dieser Alternative stellt sich für mich nicht. Ich schreibe über kollektive Trends, nicht über individuelles Potential. Ich glaube nicht, dass die Schlussfolgerungen aus der Individualastrologie eins zu eins auf die Mundanastrologie übertragen werden können, weil das Kollektiv schwerfälliger reagiert als der Einzelne. Wo wir uns als Person einem Entwicklungsprozess bewusst stellen können, ihn möglicherweise selbst suchen, kann die Masse dies nicht.
Einen anderen Ihrer Kritikpunkte nehme ich mir jedoch zu Herzen. Sie schreiben, dass Sie erschrocken sind, sprechen von „Angst schüren“ und „lähmender Angst“. Wenn Sie nach dem Lesen meines Artikels annehmen, ich wolle Ängste schüren, bin ich überrascht und selbst ein wenig erschrocken. Das habe ich nicht beabsichtigt. Wo ich schwierige Tendenzen aufzeige, geht es mir nicht darum, ein düsteres Bild der Zukunft zu zeichnen. Ich denke, dass jede Konstellation eine neutrale Energieform repräsentiert. Wenn ich im Zusammenhang mit dem Widder-Uranus die Attribute „chaotisch“ und „kämpferisch“ wähle, meine ich dies nicht wertend. Ordnung und Chaos sind Gegenspieler, die nie allein auftreten, genauso Kampf und Hingabe.
Was nun erschrickt Sie an meinem Artikel? Die Ausführungen über die Abenteurer, die technischen Entwicklungen, über Architektur, Zeitgeist und Musikstile werden Sie sicher nicht meinen. Und auch nicht den letzten Absatz, in dem ich auf die Möglichkeit eines neuen physikalischen Weltbildes hinweise. Dass die Urknalltheorie in Vergessenheit geraten könnte, wird nur wenigen den Schlaf rauben. Sicher beziehen Sie sich auf den ersten Absatz, in dem ich die dramatischen Entwicklungen der letzten Uranus-Widder-Phase hervorhebe und einen Bezug zur Gegenwart suche. Der Grund, dass ich mich dort überwiegend mit der Vergangenheit befasse, ist der, dass ich die Zukunft nicht kenne. Ich erwarte nicht, dass die jetzige Uranus-Widder-Phase die Fortführung der vorhergehenden wird, sondern versuche herauszuarbeiten, was die Essenz einer Konstellation ist. Für die damalige Zeit ist dies gut nachvollziehbar; in welchen Formen sich diese Essenz jetzt äußert, wird sich zeigen.
Ich stelle die deutsche Aufrüstung von damals in einen Zusammenhang mit dem aktuellen Umbruch in der deutschen Militärpolitik. Damit will ich nicht andeuten, wir würden den nächsten Weltkrieg vorbereiten. Ich weiß nicht, wohin dieser politische Umbruch führt, ahne aber, dass er nicht unbedingt zum Völkerfrieden beitragen wird. De fakto läuft der dritte Weltkrieg längst und Deutschland mischt dort kräftig mit. Kaum tritt Uranus von den Fischen in den Widder – vom Verborgenen ans Licht – treten auch deutsche Politiker ins Scheinwerferlicht und verkünden mutig: „Wir sind wieder wer. Wir kämpfen für freie Handelswege“. Das kann man ehrlich finden oder dämlich, Mars-Uranus finde ich hier eindeutig wieder. Sie schreiben: „Und dann trifft es Uranus, den Wegbereiter er wird für Dinge verantwortlich gemacht, die aus dem verkrusteten alten kriegerischen Weltbild entstanden sind.“ Nein, Frau XXX, ich mache Uranus nicht verantwortlich, ich glaube noch nicht einmal, dass Planeten irgendetwas bewirken.
Wenn Sie so wollen, könnte man etwa formulieren: „dieser oder jener Politiker nutzt die uranischen Kräfte aus dem Zustand der Kompensation heraus.“ Aber das ist es nicht, worum es mir geht. Mich interessiert, wo ein neuer Trend sichtbar wird. Ich meine, wir sehen bereits die ersten Anzeichen einer neuen Zeit, und wir werden dem Speziellen dieser Zeit in den kommenden Jahren in vielen Bereichen in vielfältigen Formen begegnen, manchmal egozentrisch-kriegerisch, manchmal mutig befreiend. Wenn Sie im Zusammenhang mit unseren Aufrüstungsbestrebungen von einem verkrusteten alten Weltbild sprechen, habe ich dafür Verständnis. Nur vielleicht sollten Sie sich damit an Ihren Verteidigungsminister wenden und nicht an den Astrologen der auf diese Tendenzen hinweist.
In meinem Artikel behaupte ich: „Die aktuelle Diskussion über die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht ist keineswegs dem Friedensgedanken geschuldet. … Etwas anderes wäre mit Uranus im Widder auch vollkommen undenkbar, untersteht das Streben nach Frieden unter den Völkern schließlich dem gegenüberliegenden Zeichen Waage.“ und “ Das Recht des Stärkeren … dürfte durchaus Thema unter Uranus im Widder werden.“ Uranus im Widder aktiviert die marsischen, die egozentrischen Kräfte. Das ist nicht gut oder schlecht, es ist das, was passiert (neben anderen Tendenzen, was wir nicht vergessen sollten). Wie bei allen Konstellationen wird sich dies teils auf kreative Weise äußern, teils auf destruktive.
Sie verweisen auf Sasportas, der beschreibt, wie die Venuskraft für Veränderungen genutzt werden kann. Am Ende des betreffenden Kapitels („Die Geburt der Venus“ in „Götter des Wandels“ ) kommt Sasportas zu dem Schluss: „Wenn trotz Diplomatie und Takt nichts erreicht werden kann … werden wir wahrscheinlich keine andere Wahl haben. … Manchmal gibt es keine andere Wahl, als bestimmte Formen zu zerstören …“ Das ist der gleiche Schluss, zu dem Mars-Uranus kommt. Venus mag das Ideal sein, das uns leitet, doch der Lauf der Welt wird nicht von Venus bestimmt. Alle kommen einmal zum Zuge, nur so ergibt Astrologie und damit das Leben ein sinnvolles Ganzes. Und was den Uranuszyklus betrifft, ist Mars jetzt dran, Mars der auf uranische Weise Neues wagt. „für das Neue braucht es Wagnis“, schreiben auch Sie. Nur ob Neues immer besser, edler, weiser ist, wird sich erst später herausstellen.
In gewisser Hinsicht machten die Aufrüstungsbestrebungen des Deutschen Reiches unter Uranus im Widder Sinn. Dieser Schritt wurde von großen Teilen der Regierung und der Bevölkerung als Befreiungsschlag gesehen, als Befreiung von den Fesseln absurder und unerfüllbarer Reparationsforderungen. Und auch der aktuelle Trend, deutsche Soldaten in alle Welt zu schicken, hat innerhalb eines gewissen Kontextes etwas mit Befreiung zu tun: Will Deutschland sich aus der Umklammerung der untergehenden Weltmacht USA befreien, muss es eigene Wege gehen. Ob dies nun unbedingt militärische Wege sein müssen, nun ja. Und ob dies alles dem eigentlichen uranischen Geist geschuldet ist, ist wieder eine andere Frage. Diese Dinge so zu deuten, meint nicht, sie gutzuheißen.
Ich hoffe, ich konnte ihre Bedenken zerstreuen, dass ich auf eine bedrohliche Zukunft oder eine fatale Konstellation hinweisen wollte. Mit Merkur im Widder neigt man dazu, Teile der Argumentationskette zu überspringen, nach dem Motto: „Man weiß doch, was ich meine und worauf ich hinaus will“. Wenn mein Artikel Ängste schürt, war dies offensichtlich nicht der Fall und ich werde wohl weiter an meinem Stil arbeiten.
Freundliche Grüße
Martin A. Banger