Astrologie und Beweisbarkeit

Die Frage nach der Beweisbarkeit der Astrologie beschäftigt nicht erst die Geister der Neuzeit. Kaum hatte sich die Kunst der Sterndeutung nach Griechenland verbreitet, lieferte Philosoph Karneades (214 – 129 v. C.) auch schon schwerwiegende Einwände gegen deren Berechtigung. Er argumentierte zum Beispiel, dass zwei Menschen, im gleichen Augenblick am gleichen Ort geboren, zwei völlig verschiedene Schicksale erfahren – der eine wird König, der andere Bettler.

Seither werden von Seiten der Astrologen als auch von deren Kritikern immer neue Versuche unternommen, den jeweiligen Gegner zu überzeugen. Erfolglos bislang – weder Argumente, Fallsammlungen noch Statistiken konnten zu einem allgemeinen Konsens über die Beweisbarkeit der Astrologie führen. Eine Frage, die seit über 2000 Jahren die Gemüter bewegt und noch immer zu keiner befriedigenden Antwort führt, wird sehr wahrscheinlich falsch gestellt.

Ich möchte hier aufzeigen, warum die Forderung nach naturwissenschaftlicher Begründ- und Beweisbarkeit den Wert und das Funktionieren der Astrologie nicht berührt. Darüberhinaus gehe auf einige Probleme der statistischen Erfassbarkeit astrologischer Aussagen ein. In erster Linie geht es mir hier jedoch um ein Plädoyer für eine selbstbewusstere Haltung der Astrologinnen und Astrologen gegenüber der Forderung nach Beweisbarkeit im Sinne der Naturwissenschaften.

Die Astrologie kann auf eine mindestens 2500-jährige Geschichte zurückblicken, in deren Verlauf sie sich ständig veränderte, weiterentwickelte und an den jeweils herrschenden geistigen Strömungen messen musste. Die moderne Vorstellung, die Welt und der Mensch wären naturwissenschaftlich erklärbar, hat sich erst in den letzten 250 Jahren entwickelt. Impulsgebend war vor allem Newton, der das Postulat aufstellte, dass der naturwissenschaftliche Standpunkt „von den subjektiven Umständen des Betrachters unabhängig Geltung erheben müsse“. Gerade für Newton bedeutete eine Sache, die sich naturwissenschaftlich nicht erklären lässt, jedoch nicht, dass sie auch unwahr wäre. Immerhin hat er weit mehr an astrologischen und alchemistischen Schriften verfasst als an physikalischen – und zwar nachdem er sich jahrelang intensiv mathematischen und physikalischen Fragen gewidmet hatte. (1)

Verschiedene Wege der Wahrheitsfindung und Erkenntnisbildung

Der Mensch besitzt sowohl ein rationales als auch ein bildhaft-intuitives Bewusstsein, was sich unter anderem darin spiegelt, dass wir grundverschiedene erkenntnisbildende Disziplinen entwickelt haben, wie eben die Astrologie (und natürlich andere Verfahren) und die Naturwissenschaften. Der Anspruch, die Astrologie wissenschaftlich untermauern zu müssen, bedeutet daher im Grunde, diese naturgegebene Dichotomie des menschlichen Geistes überwinden zu wollen.

Die Idee, die Welt wäre naturwissenschaftlich grundlegend erfassbar, ist ebendies: eine Idee – bestenfalls eine Arbeitshypothese, tatsächlich aber in den meisten Fällen, in denen sie bewusst oder unbewusst ins Spiel gebracht wird, eine Angelegenheit des Glaubens und keine wissenschaftliche Haltung. Vielleicht ist die Welt wissenschaftlich erschöpfend erklärbar, vielleicht nicht. Solange wir dies nicht wirklich wissen, gibt es keinen Grund, dieser Annahme übertriebenen Respekt zu zollen. Während noch lange Zeit nach Newton die Künste mehr oder weniger gleichberechtigt neben den Naturwissenschaften als Disziplinen zur Wahrheitsfindung und zum Umgang mit Wirklichkeit standen, können wir heute zumindest in der öffentlichen Diskussion und in den Mainstreammedien einen regelrechten Glauben an die Wissenschaft verzeichnen. Steven Arroyo geht soweit, Wissenschaftshörigkeit als „Hauptreligion der westlichen Welt“ zu bezeichnen. (2)

Als es 1995 wieder einmal turnusgemäß an der Zeit war, die Entdeckung eines neuen Sternbildes durch die Wissenschaft zu verkünden (während die Bildzeitung immerhin noch von einem neuen Sternbild berichtete, ging es im Spiegel bereits um ein Tierkreiszeichen), liefen bei vielen Astrologen die Telefone heiß: „Dürfen wir der Astrologie jetzt noch vertrauen?“ Unter den Anrufern, die mich konsultierten, befanden sich auch Klienten mit Doktortitel. Wer mich heute nach dem betreffenden Sachverhalt fragt, den verweise ich an meine vierjährige Tochter, die altersgemäß in der Lage ist, weit komplexere Zusammenhänge zu erfassen als die Frage nach der Entdeckbarkeit von Sternbildern. Das Attribut „wissenschaftlich“ versetzt auffallend viele Zeitgenossen in den geistigen Zustand paralysierter Kaninchen und häufig ist es genau diese Art von Geistesgröße, die da verlangt, Astrologie müsse einer wissenschaftlichen Überprüfung standhalten.

Mess- und objektive Beweisbarkeit als alleinseeligmachende Antwort auf die Fragen des Lebens – fordert ein Naturwissenschaftler Beweisbarkeit, ist dies ja noch verständlich. Ein Astrologe dagegen, der auf diese Forderung eingehen will, hat die Bedeutung der eigenen Disziplin nicht erfasst. Neben all dem Nutzen in der Klientenberatung offeriert uns die Astrologie etwas sehr viel Wertvolleres: eine eigene, von den Naturwissenschaften unabhängige Art der Perspektive auf das Leben.

Der Astrologie wird ja gelegentlich vorgehalten, sie hätte die Entdeckung des heliozentrischen Weltbildes verschlafen. Abgesehen davon, dass auch Astronomen die Koordinaten für Himmelskörper in Relation zur Erde bestimmen (was offensichtlich niemanden irritiert), befindet sich nicht die Erde im Mittelpunkt eines Horoskopes, sondern jeweils ein ganz bestimmter Punkt auf der Erdoberfläche: im Falle eines Individualhoroskopes der Punkt, an dem der betreffende Mensch geboren wurde. Wer der Astrologie vorwirft, sie setze die Erde in den Mittelpunkt, wirft ihr unwissentlich vor, sie setze den Menschen in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen. Wissenschaft bemüht sich, einen objektiven Standpunk einzunehmen und ein allgemeingültiges Ergebnis zu finden. Astrologie nimmt einen subjektiven Standpunkt ein und sucht nach einer persönlichen Antwort. Wissenschaft will den Gegenstand ihrer Untersuchungen objektiv messen, Astrologie deutet subjektiv.

Den einzelnen Menschen in den Mittelpunkt seines Universums zu setzen – noch subjektiver geht es nicht. Von diesem Mittelpunkt aus untersucht das Horoskop, wie ein Mensch seine Welt erlebt, nicht wie sie wirklich ist. Ein Horoskop wird uns nichts über den Aufbau des Universum verraten und mit keinem technischen Instrument und mit keiner Statistik werden wir je herausfinden, ob unsere Entscheidungen sinnvoll sind oder nicht.

Das Besondere an unserer Disziplin

Karneades ging in der oben erwähnten Kritik von falschen Voraussetzungen aus. Der Aspekt des Schicksals, mit dem Astrologie sich befasst, ist nichts Objektives, sondern etwas zutiefst Subjektives. Astrologie macht keine quantitativen Aussagen. Ob jemand Bettler oder König ist, lässt sich eindeutig nachweisen, gehört aber – auch wenn es manchen Zeitgenossen erstaunen mag – in den Bereich der quantitativen Aussagen.

Nachschlagewerke für astrologische Grunddeutungen vermitteln tatsächlich den Eindruck, Astrologie würde mit einzelnen absoluten Größen arbeiten. Eine Aussage wie: „Der Mond im Stier steht für ein starkes Bedürfnis nach materieller Sicherheit“ bezeichnet jedoch keine feste Größe, sondern muss eher als Hinweis auf eine wirkende Kraft verstanden werden – wirkend im Sinne eines sozusagen seelischen Vektors im Gesamtgefüge der Psyche. Im Zusammenspiel aller Horoskopfaktoren wird dieser Aspekt/Persönlichkeitsanteil oft bis zur Unkenntlichkeit untergehen. Obwohl Astrologen im Klientengespräch einen Stiermond fast immer herausfiltern können („Ah, ja! So macht sich der Stiermond bei dieser Person bemerkbar“), ist es noch nicht gelungen, eine allgemeingültige, möglicherweise auch noch für Nichtastrologen nachprüfbare Definition für Mond im Stier herauszuarbeiten. Manch einer kommt auf die Idee, dass all diese Kochbuchdeutungen nur noch nicht ganz so perfekt formuliert sind, wie sie es eigentlich sein könnten. Doch hier liegt nicht das Problem. Mond im Stier ist zwar astrologisch gesehen eine feste Größe, und was den archetypischen Stier-Mond angeht hat er durchaus mit einem starken Bedürfnis nach materieller Sicherheit zu tun. Im Bewusstsein und im konkreten Verhalten der betreffenden Person, wird dieses Bedürfnis dagegen in vielen Fällen nicht sichtbar.

Nichtastrologen ist es schwer verständlich zu machen, dass sich jede Aussage über Einzelfaktoren innerhalb des Horoskopes völlig relativieren lässt. Wo ist das Sicherheitsbedürfnis eines Stiermondes geblieben ist, wenn die betreffende Person sich so unglaublich risikofreudig gebiert? Mancher Astrologe gerät hier in Erklärungsnot.

Kennen Sie das Dreikörperproblem? Dieser Begriff aus der Physik bezeichnet das Phänomen, dass es nicht möglich ist, zu berechnen, wie sich ein System aus drei Himmelskörpern langfristig verhalten wird. Vereinfacht gesagt, sind die Bahnen einzelner Körper nicht bestimmbar, sobald ein System mehr als zwei Körper enthält. Es gibt sogar eine Diskussion darüber, ob dies generell unmöglich sei oder nur noch nicht die erforderlichen mathematischen Grundlagen entwickelt wurden. Für die Physik ist dies kein Problem. „Nun, so ist es eben; wir können hier keine Aussagen treffen.“ Der Sachverhalt wird elegant mit „Dreikörperproblem“ etikettiert und ad acta gelegt.

Als Astrologen arbeiten wir mit einem Zehnkörperproblem innerhalb zweier sich komplex überlagernder Felder (Zeichen und Häuser) und sind in der Lage, sinnvolle Aussagen zu treffen.

Ein grundlegenderes Problem möchte ich an einem anderen Beispiel verdeutlichen: Bei einem Orbis von bis zu 8 Grad weisen ca. 18% aller Horoskope eine kritische Mond-Uranus-Verbindung auf (incl. der Konjunktion, unabhängig von der Zeichenstellung). Wählen wir bei versteckten Aspekten einen kleineren Orbis, kommen wir immer noch auf ca.10%.

Diesen 10% meiner Klienten erkläre ich im Laufe einer Beratung sinngemäß: „Ihr Bedürfnis nach Sicherheit und das nach Kreativität/Unabhängigkeit stehen miteinander im Konflikt.“ Ich habe noch nicht erlebt, dass ein Mond/Uranus-Klient diese Aussage verneint hätte. Kommt ein Statistiker nun auf die Idee, die Relevanz dieser Aussage durch eine Nicht-Mond/Uranus-Kontrollgruppe zu überprüfen, wird er feststellen, dass sich unter diesen ebenfalls viele Personen befinden, die die Aussage bejahen. Mich würde es ehrlich gesagt sogar wundern, wenn beide Gruppen deutlich unterscheidbar wären.

Diese Nichtunterscheidbarkeit resultiert daraus, dass der Konflikt zwischen dem Bedürfnis nach Sicherheit und dem nach Unabhängigkeit/Kreativität in der Natur der Dinge liegt und im Grunde fast jeden Menschen betrifft (zumindest zeitweise im Leben). Dennoch behauptet Astrologie, dass einige Menschen ganz besonders unter diesem Konflikt leiden. Ob Herr A mehr unter diesem Konflikt leidet als Frau B, können beide Personen nicht beurteilen. Astrologen können das.

Probleme statistischer Erfassbarkeit

Zuordnungstests, wie sie beispielsweise in der Studie der Gesellschaft für Anomalistik im Jahr 2002 durchgeführt wurden, sind meines Erachtens ungeeignet, Aussagen über die Astrologie zu treffen (Probanden sollten hier entscheiden, welche von zwei Horoskopdeutungen die für sie zutreffende sei / Astrologen sollten einer Person das richtige Horoskop von zwei möglichen zuordnen). Diese Studie, die insgesamt große Beachtung fand, basierte auf folgender Prämisse: “ … käme es auf das korrekte Geburtsdatum gar nicht an, dann müsste auch der Stand der Gestirne zum Zeitpunkt der Geburt eines Menschen als irrelevant gelten. Um dies zu überprüfen eignen sich sog. Zuordnungstests.“ Warum Zuordnungstests in der Lage sein sollten, dies zu überprüfen, wurde nicht weiter begründet. Solange ein solcher Test nicht auf sein Funktionieren in anderen Disziplinen überprüft wurde, kann jedoch nicht von einem wissenschaftlichen Vorgehen gesprochen werden.

Ein Test, der wissenschaftlichen Kriterien standhalten soll, muss zunächst auf seine Relevanz geprüft werden. In diesem Fall müsste also mindestens ein entsprechender Vergleichstest in einer anderen Disziplin durchgeführt werden – z.B.: wieviele praktische Ärzte können aus zwei vorliegenden Blutbildern das passende dem vor ihnen sitzenden Patienten zuordnen. Oder: wieviele Probanden können das zu ihnen gehörende psychologische Gutachten aus zwei vorliegenden korrekt auswählen.

Schnitten die Testpersonen in solchen Vergleichstest ähnlich ab wie diejenigen in dem Astrologietest, was wäre dann bewiesen? Angenommen von 100 Medizinern würden 50 bei der Zuordnung von Blutbildern richtig liegen, dann wäre nach der Argumentation der genannten Studie bewiesen, dass medizinische Diagnose und Behandlung auf Zufall basieren. Die Fähigkeiten eines Arztes liegen allerdings nicht darin, dem Patienten eines von zwei vorliegenden Blutbildern zuzuordnen, und wohl kaum ein Arzt würde aus den Ergebnissen eines derartigen Tests irgendwelche Rückschlüsse auf die Wissenschaftlichkeit der Medizin ziehen. Ich bin mir sicher: Würde der Test zeigen, dass viele Ärzte richtig zuordnen, gälte er als relevant – würden Ärzte überwiegend schlecht abschneiden, machte man sich Gedanken über methodologische Fehler.

Unter den 26 teilnehmenden Astrologen befand sich nur einer, der ein besonders gutes Ergebnis beim Zuordnen aufwies. Ein Statistiker argumentiert wie folgt: in einer größeren Gruppe schneiden immer einige Testpersonen besonders gut und andere besonders schlecht ab, weshalb diese Randbereiche der Statistik zu vernachlässigen sind. Bei Berufsgruppen, die stärker an einen gemeinsamen Konsens gebunden sind, mag man so vorgehen. Die Gruppe der Ärzte oder die der Physiker ist weit stärker an einen gemeinsamen Konsens gebunden als die der Astrologen. Ein Astrologe durchläuft keine harte Berufsausbildung und entwickelt seine Fähigkeiten und Kenntnisse nur weiter, indem er praktiziert (dies gilt für die anderen genannten Berufsgruppen normalerweise nicht in dem gleichen Maß). Zumindest dieser Punkt hätte als quantitativer Faktor mit berücksichtigt werden müssen (Seit wann wird praktiziert? Wieviele Beratungen wurden bisher durchgeführt?). Wäre der Test durchgeführt worden, um die These zu überprüfen: „Nur sehr wenige Astrologen gelangen zur Meisterschaft“, wäre diese Annahme durch das Ergebnis jetzt untermauert.

Viele Astrologien

Um aufzuzeigen, wo die Schwierigkeiten der statistischen Beweisbarkeit astrologischer Einzelbehauptungen liegen, wähle ich eine möglichst eindeutige Aussage: „Überquert Pluto den Aszendenten, geht die betreffende Person durch eine ihrer tiefsten Lebenskrisen“. In meiner eigenen Praxis hat sich das bewiesen – ein einziger Klient hat bisher berichtet, dass die Zeit des direkten Übergangs Plutos über den Aszendenten zu den Höhepunkten seines Lebens gehörte. Dass seine gesamte nähere Umwelt dies als Krise wahrnahm, konnte der Klient erst viel später realisieren (als Pluto sich dem Ende des ersten Hauses näherte).

Die Frage ist nun, wann diese These als bewiesen gelten kann. In der Physik gilt eine Sache als bewiesen, wenn sie von der Gemeinschaft der Wissenschaftler anerkannt ist und einer Überprüfung jederzeit standhält. Für die Astrologie gilt entsprechend nichts anderes. Klientenbefragungen durchzuführen, um der Überprüfbarkeit astrologischer Aussage auf die Spur zu kommen, halte ich für vollkommen ungeeignet. Ein Klient kann nicht unterscheiden, was die Astrologie unterscheidet. Ob dies eine seiner größten Krisen ist, kann niemand beurteilen, weil zukünftige Krisen noch stattfinden werden. Wie tief ein plutonischer Umbruch wirklich ist, lässt sich oft erst nach Jahren erkennen. Ist der Umbruch länger her, gerät er in Vergessenheit. Die meisten Astrologen dürften das kennen: Kommt man in der Beratung auf eine weiter zurückliegende Krise zu sprechen, erinnern sich manche Klienten erstaunlich gut, andere gar nicht. Gräbt man ein wenig nach, erlebt man dann Reaktionen wie: „Ja, stimmt, jetzt wo Sie das ansprechen – das war ein ganz grauenhaftes Jahr“. Solche Situationen habe ich in der Praxis viele Dutzendmal erlebt.

Befragen wir also die Kollegen. In Gesprächen mit anderen Astrologen ist mir die Bedeutung der Pluto/ASZ-Krise mehrfach bestätigt worden. Ich konnte aber auch feststellen, dass einige Praktizierende der Astrologie über diese Aussage durchaus überrascht waren. Wieviele Astrologen die Behauptung „Pluto Kon Asz = Krise“ als gesichert ansehen, kann ich nicht beurteilen. Je nach Schule werden völlig unterschiedliche Schwerpunkte bei der Deutung/Beratung gelegt. Es gibt Astrologen, die allen Formen der Prognostik skeptisch gegenüberstehen und solche, die Transiten keinen hohen Aussagewert beimessen. Ich weiß nicht, ob Döbereinerschüler Aszendentenübergänge überhaupt beachten. Ganz offensichtlich gibt es nicht nur eine, sondern viele Astrologien. Nehme ich alle Astrologen, die Aszendentenübergänge als bedeutsam ansehen, komme ich bei der Überprüfung meiner These zu anderen Ergebnissen als in der Gruppe aller Astrologen. Doch damit nicht genug. Über die Parameter Pluto und ASZ sollte es unter Astrologen eigentlich keine Diskrepanzen geben (ganz sicher kann man sich da ja nie sein), aber spätestens bei der Konjunktion scheiden sich die Geister. Welcher Orbis ist anzulegen? Physiker arbeiten mit der Formel g = 9,81 m/s2. Astrologen arbeiten mit Orb = irgendetwas zwischen 0 und 8 (oder vielleicht 10?). Soviel zum Thema gemeinsamer Konsens. Jetzt bin ich also auf der Suche nach allen Astrologen, die dem Plutoübergang Bedeutung beimessen und einen sehr kleinen Orbis anwenden. Doch selbst in dieser Gruppe Gleichgesinnter kommt es zu Streitigkeiten darüber, was denn eine Krise sei. So gibt es unter Esoterikern und New-Agelern auffallend viele, die dem Thema Krise von vornherein mit Abwehr begegnen, nach dem Motto: nicht um eine Krise handelt es sich, sondern um großartige Wachstumschancen. Warum wir auf keinen gemeinsamen Nenner kommen, wird dem Uneingeweihten einigermaßen schwierig zu erklären sein. Wie gesagt, sind Astrologinnen und Astrologen im Gegensatz zu Naturwissenschaftlern an keinen gemeinsamen Konsens gebunden. Wie ich als astrologischer Berater eine Situation einschätze, hängt von den Autoren ab, die ich gelesen habe, den Kollegen, die mich inspirierten und noch viel mehr von meiner Lebenserfahrung, nicht aber von einem allgemeinen Deutungskonsens in der Astrologie.

Dies alles schmälert den Wert der Astrologie jedoch nicht. Astrologie hat Methoden entwickelt, Inhaltliches aufzuzeigen. Wissenschaft, wie sie heute verstanden wird, kann sich nicht mit Sinn, Wert oder Bedeutung befassen. Sinn und Bedeutung sind nur subjektiv erfahrbar und nicht objektiv messbar. Der Glaube an die Wissenschaft als alleinige Quelle für die Antworten unserer Lebensfragen führt damit zwangsläufig zu einem – im wahrsten Sinne des Wortes – bedeutungslosen Universum. Jeden Anbiederungsversuch an wissenschaftliche Messbarkeit halte ich daher für eine Sackgasse.

Bereits 1984 schrieb Stephen Arroyo, einer der Wegbereiter der psychologischen Astrologie: “ … das vielleicht sinnloseste Unterfangen für mich ist es, wenn Astrologen sich selbst einschränken, indem sie das alte, materialistische Paradigma beibehalten, während sie vorgehen, die Astrologie zu „testen“; solche Versuche sind jedoch wie das Vermischen von Äpfeln und Orangen – sie führen zu nichts. (3)

(1) James Gleick: Issak Newton, New York 2003

(2) (3) S. Arroyo, Sebastopol 1984, Astrologische Psychologie in der Praxis, Hamburg 1988, S. 75